Neue Geschichte. 1. Periode. Deutschland.
zwang ihn auch, in einem Vertrage in Passau (1552), den Evangelischen dieselbe Gerechtigkeit vor dem Reich skammergenchte zu bewilligen, welche die Katholiken bisher allein genossen hatten, und einen Reichstag zu verheißen, aus welchem endlich einmal he Religionszwistigkeiten ausgeglichen werden sollten. Das geschah auch 1555 in Augsburg, wo der sogenannte Religionsfriede geschlossen wurde. Darin erhielten die Protestanten im ganzen Reiche freie Religionsübung. Weder sie noch die Katholiken sollten einander zum Uebertritte zu verleiten suchen. Kein Landesherr sollte seine Unterthanen zu einer andern Religion zwingen wollen, sondern ihnen das Auswandern erlauben. Wie sauer wurde es nicht unsern Vorfahren gemacht, das zu erringen, dessen wir uns jetzt so ungestört zu erfteueu haben: die Freiheit, nach unserer Ueberzeugung Gott und Jesus zu verehren!
Der tapfere Moritz erlebte diesen Religionsftieden leider nicht mehr. Ein wilder Mensch, der Markgraf Albrecht von Brandenburg, hatte schon lange in Deutschland vielen Unfug getrieben, war bald diesem, bald jenem Fürsten ins Land gefallen und hatte auf eigene Hand Krieg geführt. Dem Unwesen mußte endlich gesteuert werden. Moritz ging mit dem alten Herzoge von Braunschweig, Heinrich, aus ihn los und traf ihn in der lnneburger Haide, beim Dorfe Sievershausen (1553). Schnell griff er ihn an und warf ihn nach einem hartnäckigem Kampfe m die Flucht. Aber der Sieg war theuer erkauft worden. Bald nach dem Anfange der Schlacht wurde dem Herzog Heinrich, einem tapfern, aber rohen Krieger, gemeldet, daß sem trefflicher Sohn, ein kräftiger Mann von 31 Jahren, schwer verwundet sei. ^er alte Mann bezwang seinen Schmerz und sprach mit erkünstelter Fassung: „Gut! so muß man dem Jungen das Gelbe vom Schnabel wischen." Aber bald kam ein zweiter Bote mit der Nachricht, auch sein ältester Sohn sei entseelt. „Das ist zu viel!"nef er aus und die Thränen stürzten ihm aus den Augen. Mit der Wuth der Verzweiflung stürzte er sich in den Feind, den Tod suchend aber nicht findend. Dabei traf ihn der dritte Schlag: auch Kurfürst Moritz sei verwundet. Eben war der Sieg entschieden worden, da wurde Moritz von hinten von einer Kugel erreicht, die ihm m die Eingeweide fuhr. Man hob ihn vom Pferde und lehnte ihn an eine Weide, von wo er noch den nahestehenden Soldaten zurief die Feinde nachdrücklich zu verfolgen. Jetzt kam der alte kummerbelastete Heinrich. Beim Anblicke des verwundeten Freundes
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Augsburg Deutschland Braunschweig
180 Neue Geschichte. 2. Periode. Dreißigjähriger Krieg.
warfen sie auch noch den Schreiber Fabricins, ein Werkzeug jener, der sich unter deitt Tische versteckt hatte, hinunter, eine Höhe von 60 Fuß. Aber brachen denn die Leute nicht Hals und Bein? — Sie fielen glücklicherweise auf einem Haufen Gemülle, und wankten mit gelähmten Gliedern nach Hause.*)
Die Stände konnten nun wohl denken, daß der Kaiser die eigenmächtige That bestrafen würde. Darum trafen sie schnell Vorkehrungen. Sie besetzten das Schloß mit ständischen Truppen, ernannten 30 Directoren, welche die Regierung führen sollten, nahmen alle Beamte in Eid und Pflicht und die Einkünfte in Beschlag; dann schrieben sie an den Kaiser und suchten ihr Verfahren bestmöglichst zu entschuldigen, aber zugleich warben sie Truppen und forderten die Schlesier, Mährer, Lausitzer, Oestreicher und Ungern auf, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen. Den Erzbischof von Prag, dön Abt von Braunau, viele andere Prälaten und die Jesuiten jagten sie aus dem Lande. Der Kaiser erschrak, und da er damals kränklich und überhaupt furchtsam war, so wollte er auf des Cardinals Clesel Rath lieber mit den Böhmen unterhandeln, als Gewalt brauchen. Aber dagegen setzte sich sein Vetter Ferdinand. „Gott selbst," sagte dieser, „hat die Böhmen mit Blindheit geschlagen, daß sie durch diese erschreckliche That zeigten, daß * ihr Betragen nicht aus Gott, sondern aus dem Teufel sei. Demnach halte ich dafür, daß nichts übrig bleibe, als zu den Waffen zu greifen."
2. Der unglückliche Kurfürst von der Pfalz, Friedrich V. Noch kein Jahr nach jener That auf dem Schlosse in Prag starb Kaiser Matthias (1619) und fand im Grabe die Ruhe, die er auf dem Throne nicht gefunden hatte. Er starb zu rechter Zeit, um noch größeren Uebeln zu entgehen; denn der Krieg hatte wirklich schon begonnen. Graf Thnrn schlug zwei kaiserliche Heere (Dampierre und Bouquoi), die nach Böhmen einrückten, zurück und siel in Mähren und Oestreich ein; allenthalben nahm ihn das Volk mit Freuden aus und erhob sich gegen den Kaiser; ja, Thurn drang bis Wien vor, wo sich Ferdinand befand, und belagerte es. Wirklich war Ferdinand in der mißlichsten Lage. Ueberall offene Empörung oder heimliches Mißvergnügen. Schon pfiffen die Kugeln der Böhmen durch sein Schloß, und, um seine Verlegenheit voll-
*) Das Zimmer des Prager Schlosses, in welchem dies geschah, ist bis heute ganz so gelassen, wie es damals war.
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Extrahierte Personennamen: Clesel_Rath Ferdinand Ferdinand Friedrich_V. Friedrich_V. Matthias_( Ferdinand Ferdinand Ferdinand Ferdinand
Unruhen in Prag. Friedrich von der Pfalz.
181
kommen zu machen, erschienen vor ihm 16 Abgeordnete der östreichischen Stände und verlangten mit drohenden Worten seine schriftliche Einwilligung zu ihrer Bewaffnung und zu einem Bündnisse mit den Böhmen. Ja, einer derselben, Andreas Thonradel, soll sogar so weit gegangen sein, ihn beim Knopfe seines Ramses zu fassen und zu rufen: „Nandel, gieb dich! du mußt unterschreibe!" — Da schmetterten plötzlich Trompeten auf dem Schloßhofe. Es waren 500 Cürafsiere von Dampierre, welche eingezogen waren, um Ferdinands Befehle zu vernehmen. Der Trompetenschall wirkte auf die Abgeordneten wunderbar. Sie beurlaubten sich in größter Schnelligkeit und kamen nicht wieder, und Ferdinand war erlöst, denn auch Thuru zog sich bald darauf von Wien zurück. Auch Ferdinand ist ein Beweis, daß man in keiner, auch noch so großen Verlegenheit verzagen muß, wenn man nur nach seiner besten Ueberzeugung handelt. Bald darauf wurde er zum deutschen Kaiser gewählt und hieß nun Ferdinand Ii. (1619—37).
Nur die Böhmen wollten ihn schlechterdings nicht als ihren König erkennen, setzten ihn förmlich ab und ihnen traten auch die Schlesier, Mährer und Lausitzer, selbst die evangelischen Oestreicher bei. Dagegen wählten sie den 23jährigen Kurfürsten von der Pfalz, Friedrich V., zu ihrem Könige. Zwar war er reformirt; aber sein Oheim war Moritz von Dramen und sein Schwiegervater König Jacob I. von England, und diese Verbindung empfahl ihn den Wählenden besonders. Anfangs besann er sich; die große Gefahr, in die er sich begeben sollte, schwebte seinem Geiste vor und manche Freunde warnten ihn. (Seine Mutier Juliane: „Ach, nun geht die Pfalz nach Böhmen!") Aber da trat seine Frau, Elisabeth, herein, welche der Eitelkeit, Königin zu heißen, nicht widerstehen konnte. „Wie?" rief sie, „du konntest dich vermessen, die Hand einer Königstochter anzunehmen, und dir bangt vor einer Krone, die man dir freiwillig entgegenbringt? Ich will lieber mit einem Könige Sauerkraut, als mit einem Kurfürsten Gebratenes essen." Solche Eitelkeit hat schon manche Frau unglücklich gemacht. Wird Elisabeth sie auch zu bereuen haben? — Auch sein Hofpre-diger Scnltetns redete zu feinem Gewissen: er solle doch nicht durch feine Weigerung mehr als eine Million evangelischer Glaubensgenossen ausopfern. Er nahm die Krone an und reiste nach Prag, wo er mit großem Pompe gekrönt wurde. Hoch schlug der eitlen Elisabeth das Herz vor Freude.
Indessen zog sich über dem neuen Könige und seinen Böhmen
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184 Neue Geschichte. 2. Periode. Dreißigjähriger Krieg.
gebraucht wurden, so erlaubte ihm der Herzog, in die Dienste der Union zu treten, und diese schickte ihn nach Böhmen, wo er sich auch mit gewohnter Tapferkeit mit den Kaiserlichen herumschlug. Nach der Schlacht am weißen Berge und nach der Auflösung der Union setzte Mansfeld im Dienste des entflohenen Pfalzgrafen Friedrich den Krieg in Deutschland fort, zog mehrere Jahre umher und plünderte besonders die reichen geistlichen Länder aus. Bald war er hier, bald dort (Pfalz, Elsaß, Niedersachsen); und schlugen ihn auch einmal die Kaiserlichen, so entließ er seine Leute und trat mit ihnen plötzlich an einer andern Stelle wieder auf. So trieb er sich sechs Jahre umher, ohne selbst einen Pfennig mehr zu haben, als was ihm der Krieg verschaffte. Endlich entwich er, nachdem er von denf kaiserlichen Heere unter Wallenstein an der Elbbrücke bei Dessau geschlagen war, mit seiner Schaar nach Ungarn, um sich mit dem unruhigen Großfürsten von Siebenbürgen, Beth len Gabor, zu verbinden. Aber dieser hatte Geld verlangt und keine hungrigen Soldaten, und vertrug sich daher lieber mit dem Kaiser. Der tapfere Mansfeld verkaufte sein Heergeräth, entließ mit gerührtem Herzen seine alten Kriegskameraden und wollte nach Venedig und von da nach Holland reisen. Aber ehe er noch Venedig erreichte, wurde er unterwegs in Bosnien krank, und er, der so viel im Leben umhergeworfen war und jetzt mit neuen Entwürfen einem neuen Schauplatze zueilte, fand hier seinen Tod ganz unerwartet. Als ihm der Arzt eröffnete, daß er nur noch einige Stunden zu leben habe, ließ er sich seinen Waffenrock anlegen, den Degen umgürten und erwartete so stehend und gestützt auf die Schultern zweier Offiziere den Tod. So starb dieser eiserne Mann im 46. Jahre seines Lebens (1626).
Ein ähnlicher Mann war Christian von Braunschweig. Von jugendlichem Uebermuthe und von glühendem Hasse gegen die katholische Geistlichkeit getrieben, trat auch dieser Fürst für Friedrichs Sache auf, warb ein Heer und zog damit auf Mansfelds Art in Deutschland umher. Am liebsten plünderte er die Kirchen und Weinkeller der geistlichen Fürsten aus, und auf die Münzen, die er von dem geplünderten Silber prägen ließ, wurde die Umschrift gesetzt: Gottes Freund, der Pfaffen Feind. Während der flüchtige Kurfürst von der Pfalz länderlos umherirrte, verfochten Christian und Mansfeld seine Sache, als wenn sie die ihrige wäre. Christian hatte, als er in Holland gewesen war, die vertriebene Kurfürstin Elisabeth kennen gelernt und gerührt von
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186 Neue Geschichte. 2. Periode. Dreißigjähriger Krieg/
als Kind, wurde dann von seinem Oheim erzogen und nach den Lehrsätzen der böhmischen Brüdergemeinde unterrichtet. Man weiß nicht, wie es gekommen, daß er bald danach den Jesuiten in Olmütz übergeben wurde, die ihn dem katholischen Glauben zuführten. Nachdem sein Unterricht vollendet war, ging er in Begleitung eines jungen, reichen böhmischen Edelmannes und eines gelehrten Mathematikers und Astrologen auf Reisen. Er besuchte- Holland, England, Frankreich, Italien, und hier blieb er einige Zeit in Padua, wo er sich besonders mit Sterndeuterei (Astrologie) beschäftigte; denn damals glaubte man noch, aus dem Stande der Gestirne künftige Schicksale vorhersagen zu können. Ein schlauer Sterndeuter, der seinen Ehrgeiz merkte, machte ihm weiß, daß er noch zu sehr hohen Ehren gelangen würde, was freilich auch nachher zufällig eintraf. Dann ging er unter die Soldaten, machte einige Züge gegen die Türken mit, schloß sich bei dem Bruderzwiste zwischen Kaiser Rudolph Ii. und Matthias dem letztem an, und heirathete nach dem Frieden eine alte reiche Wittwe, Lucretia von Landeck, die nach vier Jahren starb und ihn dadurch, 31 Jahre alt, zum Erben eines ungeheuren Vermögens machte. Ein Jahr vor dem Ausbruche des dreißigjährigen Krieges zog er mit einem auf eigene Kosten geworbenen Regiments unter dem damaligen Erzherzog Ferdinand gegen die Venetianer, und da er sich sowohl durch Tapferkeit als durch Freigebigkeit gegen seine Offiziere, welche offene Tafel in seinem Zelte fanden, auszeichnete, so wurde er nach seiner Rückkehr vom Kaiser sehr ausgezeichnet. Er wurde zum Oberst ernannt, in den Grafenstand erhoben und erhielt den Kammerherrnschlüssel. Beim Ausbruch der böhmischen Unruhen erklärte er sich mit Eifer für die Sache des Kaisers und ließ seinen Vettern, die im böhmischen Heere dienten, sagen: er wolle sie dafür mit Prügeln und Ruthen tractiren. Abwechselnd lebte er auf seinen Gütern in Mähren ^nd Böhmen, in Prag und in Wien, wo er durch Aufwand die Augen aller auf sich zog, besonders nachdem er durch Ankauf vieler Güter der Geächteten sein Vermögen sehr vermehrt hatte. Auch nahm er an -dem Kriege lebhaften Antheil und stand zur Zeit der Schlacht am weißen Berge in Ungarn gegen Bethlen Gabor. Er vermählte sich mit der schönen Tochter des Geheimeraths Graf Harrach, der ein Liebling des Kaisers war, wurde bald darauf in den Fürstenstand und schon ein Jahr später zum Herzog von^Friedland erhoben. Seine Residenz nahm er in Gitschin. Jetzt machte er dem Kaiser
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Albrecht von Wallenstein.
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den erwähnten Vorschlag. Ferdinands Räche meinten, man könne ihn ja mit 20,000 Mann den Versuch machen lassen. „Nein!" rief Wallenstein, „das kann ich nicht! die getraue ich mir nicht zu unterhalten; wohl aber 50,000 Mann." — „Ihr wundert euch!" fuhr er fort. „Seht, mit 50,000 Mann kann ich überall Gesetze vorschreiben, und die gesammten Lebensmittel einer Provinz stehen mir zu Gebote. So ist es nicht mit 20,000, die manchmal bitten müssen, wo jene befehlen." Das sahen die Räthe ein, und der Kaiser gab ihm nicht nur die gesuchte Erlaubniß, sondern auch das Recht, alle Offizierstellen zu vergeben. Nun ließ er die Trommel rühren, und von allen Seilen strömten ihm Menschen zu; denn an müßigem Volke fehlte es nirgends, besonders damals, wo schon so manche Gegend verwüstet war, und wie gut es sich in Wallensteins Lager leben ließ, war ja schon bekannt. In kurzem hatte er mehr als 20,000 Mann beisammen, und wie er vorrückte, wuchs der Haufe wie ein rollender Schneeball an. Zuerst ging er auf Niedersachsen los und traf am Harze mit Tilly zusammen. Beide hätten nun zusammen handeln sollen, aber dazu war jeder zu stolz; keiner wollte von dem andern Befehle annehmen, und so trennten sie sich nach nur kurzem Beisammensein. Zuerst ging Wallenstein (1626) gegen den Grafen Mansfeld, der bei Dessau über die Elbbrücke gehen wollte. Hier erwartete Wallenstein den Grafen hinter schnell aufgeworfenen Schanzen und schlug ihn, da er stürmte, mit großem Verluste zurück. Er verfolgte ihn dann durch Schlesien bis nach Ungarn, von wo Mansfeld, wie schon oben erzählt, zu Bethlen Gabor entwich. Im folgenden Jahre trieb Wallenstein die feindlichen Truppen aus Schlesien, unterwarf die Provinz dem Kaiser wieder, wandte sich nun gegen den Hauptfeind, den König von Dänemark, Christian Iv., der an der Spitze der niedersächsischen Kreisstände stand und schon von Tilly bei Lutter am Barenberge aufs Haupt geschlagen war, und jagte ihn vor sich her. Demüthig bat dieser um Frieden, erhielt aber eine verächtliche Antwort, und binnen wenigen Tagen hatte Friedland Schleswig und Jütland mit seinen Soldaten überschwemmt, und Christian mußte froh sein, daß er ihm nicht nach seinen Inseln folgen konnte. Hätte Wallenstein nur Schiffe gehabt! So blickte er ihm nur wüthend nach, und soll vor Zorn gar glühende Kugeln ins Meer haben feuern lassen. Das alles geschah durch ihn allein, während der alte Tilly in einem Winkel von Deutschland ihm zusehen mußte. Und wie fürchterlich hausten
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Karl Xii. Krieg gegen Rußland und Polen.
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Oder, so stark sie auch fluthete, und wurde am andern Ufer von einer Menge gemeiner Leute umringt, die ihn flehentlich baten, sich doch ihrer gegen die katholischen Mitbürger anzunehmen. Die evangelischen Schlesier wurden damals, trotz der Versicherung des Kaisers bei dem westfälischen Frieden, auf alle Weise von den Katholischen bedrückt. Ein alter grauköpfiger Schuhmacher drängte sich vor allen heran, faßte dem Pferde in die Zügel und sagte: „Gnädiger Herr! Gott sei und bleibe mit Ihnen. Aber lassen Sie sich doch durch unsere Thränen erweichen und denken Sie nicht allein an sich selbst, sondern auch an uns arme Leute und an unsern unterdrückten Glauben im Lande." Der König sagte wohl zehnmal: „Ja! Ja!" Aber der Schuster ließ ihn nicht eher los, bis er ihm die Hand darauf gab. Karl hielt auch sein Wort. Er setzte es bald darauf beim Kaiser Joseph durch, daß in der Altranstädter Convention den Evangelischen in Schlesien Aufhebung der religiösen Bedrückungen und Herausgabe der in einigen Landestheilen seit dem westfälischen Frieden widerrechtlich weggenommenen Kirchen zugesichert wurde, ja daß sogar sechs neue Kirchen erbaut werden durften, welche man Gnadenkirchen nannte (in Freistadt, Sagan, Hirschberg, Landshut, Militsch und Teschen).
Karl brach nun (1706) in Sachsen ein und ließ bekannt machen, daß jeder ruhig in seinem Lande bleiben könne; niemandem solle etwas geschehen. So rückte er bis Altranstädt vor, einem Orte nicht weit von Lützen. Gleich den folgenden Tag ritt er nach dieser Stadt, um das Schlachtfeld zu besehen, wo sein großer Ahnherr vor 74 Jahren so ruhmvoll gefallen war. Mit Rührung betrachtete er die Stelle, wo ihn der Tod ereilt hatte, und sprach: „Wir haben allezeit gesucht, so wie König Gustav Adolph zu leben; vielleicht thut uns Gott die Gnade, und läßt uns auch auf die Art, wie ihn, sterben." Ob sein Wunsch erfüllt ward, wird die Folge lehren. — Dann wurde den schwedischen Soldaten vorgeschrieben, wie sie sich gegen die Einwohner zu verhalten hätten. Was sie verlangten, sollten sie baar bezahlen und sich aller Mißhandlungen bei Todesstrafe gänzlich enthalten. Auf diese Befehle wurde auch strenge gehalten. In einem Dorfe nahmen zwei Soldaten vom Leibregimente einem Bauer eine Schale mit dicker Milch und schlugen den Jungen, der sie daran hindern wollte. Karl ritt gerade vorbei und hörte den Lärm, erkundigte sich nach der Ursache und ließ beide loosen, wer von ihnen sterben sollte. Das Urtheil wurde auf der Stelle vollzogen. — Einige Tage darauf hatte ein Dragoner
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198 Neue Geschichte. 2. Periode. Dreißigjähriger Krieg.
für meinen Vortheil, sondern für den der Protestanten. Will mich niemand unterstützen, so kehre ich auf der Stelle um. Ich mache mich frei von dem allen, was daraus entstehen kann; ich biete dem Kaiser einen Vergleich an und gehe nach Stockholm zurück. Ich weiß, der Kaiser wird sehr gern einen solchen Vergleich schließen, wie ich ihn will. Aber ihr Protestanten habt es einst vor Gott zu verantworten, daß ihr für das Evangelium nichts habt thun wollen. Ist Magdeburg verloren und bin ich nach Schweden zurückgegangen, so mögt ihr zusehen, wie ihr fertig werdet." — Das half. Der Kurfürst räumte ihm Spandau ein, und nun wollte Gustav rasch bei Wittenberg über die Elbe gehen und Magdeburg zu Hülfe kommen. Aber Wittenberg gehörte damals dem Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg, einem kleinlich denkenden, dem Biertrunk ergebenen Manne, und dieser schlug ihm den Durchmarsch rund ab; denn seine Bierfässer waren ihm, wie man laut sagte, lieber als das Wohl seiner Glaubensgenossen. Kaum konnte'^Gustav seinen Unwillen zurückhalten. „Mögen denn diese Menschen zu Grunde gehen, weil sie es so haben wollen! Ich aber werde nach -Pommern zurückgehen und da warten, bis sie am'abgrunde stehen und mich zur Hülfe rufen müssen. Lieber Himmel! wie kann man doch das Haus seines Nachbars brennen sehen und nicht eilen, das Feuer zu löschen? Das ist mir unbegreiflich! Soll also diese unglückliche Stadt zu Grunde gehen und mit ihr vielleicht der geringe Hebertest von deutscher Freiheit!" Während noch die Couriere hin- und hergingen und Gustav ängstlich auf die Bewilligung des Durchmarsches harrte, kam die entsetzliche Nachricht, daß Magdeburg erobert sei. •
7. Die Zerstörung Magdeburgs, 163*1. Magdeburg hatte sich den kaiserlichen Befehlen widersetzt und keine Soldaten einnehmen wollen; Ursache genug, es in die Acht zu thun. Tilly wurde beauftragt, es zu belagern und zu züchtigen. Schon seit dem December 1630 war die Stadt eingeschlossen worden und wurde von den Kaiserlichen lebhaft beschossen. Mehrmals schon hatte Tilly sie aufgefordert, sich zu ergeben; aber tätlich hofften die Einwohner auf die versprochene Ankunft Gustavs und beschlossen, sich aufs äußerste zu wehren. Jetzt war es schon Mai 1631. Noch einmal schickte Tilly einen Trompeter in die Stadt und warnte sie; aber Falkenberg hielt diesen drei Tage lang in der Stadt zurück, um Zeit zu gewinnen. Indessen machte Tilly alle Anstalten, die Mauern mit Sturm zu nehmen, ehe Gustav heran-
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Extrahierte Personennamen: Gustav Gustav Johann_Georg Johann Gustav Gustav Tilly Tilly Gustavs Tilly Falkenberg Tilly Gustav
Schlacht bei Leipzig.
203
8. Die Schlacht bei Leipzig, 7. Sept. 1631. Gustav Adolph hatte nun, weil ihm Johann Georg den Durchzug durch Sachsen nicht erlauben wollte, einen Umweg durch die Altmark machen müssen. Bei der Gelegenheit machte er sich die Freude, die durch Wallenstein vertriebenen Herzöge von Mecklenburg wieder einzusetzen. Wie dankbar blickten die Mecklenburger zu ihm hinauf! Er führte die Herzöge selbst nach ihrer Residenz Güstrow zurück, wo sie unter dem Jauchzen des Volkes ihren Einzug hielten, und als auf dem Markte mehrere Fässer Wein dem Volke überlassen wurden, befahl er, daß jede Mutter, die einen Säugling hätte, diesen herzutragen und ihm von dem Wein zu trinken geben sollte, damit noch die Kindeskinder dieses -Einzuges der vertriebenen Fürsten gedenken möchten. Als er nach Tangermünde an der Elbe kam, stellte man ihm die dort gemachten kaiserlichen Gefangenen vor. Sie fielen vor ihm auf die Kniee nieder, falteten die Hände und baten um Gnade. Gustav-sah sie streng an und sprach: „Steht auf! so muß man keinen Menschen verehren; ich bin nicht Gott. Werft euch vor dem höchsten Wesen nieder und dankt ihm, daß ich euch das Leben schenke. Ihr habt euch hier im Lande als Räuber aufgeführt. Wenn ihr die Stärkeren wäret, habt ihr meinen Schweden kein Quartier gegeben; ihr habt sie grausamer behandelt, als es die Türken gethan haben würden. Ihr hättet alle den Tod verdient; aber ich begnadige euch. Geht, lebt und dankt Gott sür meine Milde!"
Tilly konnte sich in dem ausgeplünderten Niedersachsen nicht mehr halten. Dagegen warf er sein Auge auf das Kurfürstenthum Sachsen, welches bis jetzt am wenigsten gelitten hatte, und verlangte vom Kurfürsten, daß er seine Soldaten zu ihm stoßen ließe und die verlangten Lieferungen hergäbe. Johann Georg machte Umstände. Da schickte Tilly gleich seine Vortruppen ins Land, die damit anfingen, einige Städte auszuplündern. Und das war nur das Vorspiel; denn nun rückte Tilly mit dem eigentlichen Heerhaufen erst auf Leipzig los, beschoß es mit Bomben und nahm es ein. Der Kurfürst wußte sich vor Augst und Schrecken nicht zu lassen. Wie bereute er jetzt, nicht das Bündniß mit den Schweden angenommen zu haben! „Vielleicht ist es noch Zeit,"
Welches Jammergeschrei mag ausgestoßen, welche Schmerzen gefühlt worden sein, von denen die Geschichte nichts weiß! Alles wurde durch den ungeheuern Brand wie mit einem Schleier bedeckt.
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Adolph Gustav Johann_Georg Johann Gott Tilly Johann_Georg Johann Tilly